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  • constantinpaetzold

Leben ermöglichen: Ein Erfahrungsbericht aus der Thoraxchirurgie

Aktualisiert: 21. Juli 2021

Was eine Woche! Die ersten Tage meiner Famulatur in der Thoraxchirurgie im AKH in Wien sind vorbei. Bereits jetzt konnte ich unterschiedlichste Erfahrungen mitnehmen, doch eine davon sticht wegen ihrer Bedeutung und Vielschichtigkeit besonders heraus: Eine Organentnahme mit Transport und anschließender Transplantation. Im folgenden ein Erfahrungsbericht:





Bei einem Menschen reißt ein Aneurysma im Gehirn. Die Diagnose wenig später: Hirntod und damit klinisch gesehen verstorben. Obwohl das Bewusstsein für immer verloren ist, blieb der Hirnstamm verschont und damit sind lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag und Atmung weiterhin erhalten. Nachdem die Angehörigen aufgeklärt wurden und der Organentnahme zugestimmt haben, und der verstorbene Patient ein Organspender war, beginnt der Prozess, der anderen Menschen das Leben noch retten kann.


Nachts während die Stadt schläft, gehts mit Blaulicht zum Flughafen. Eis und Equipment im Gepäck. Die Chirurgen nutzen jede Minute der Ruhe. Jeder auf seine Art: Der eine schläft, der andere hört seine Lieblingssongs. Das Ziel: Bereit sein und keine Fehler machen. Jedes Organ ist wertvoll und die Liste derer die sie brauchen lang. Wir kommen am anderen Flughafen an, der nächste Krankenwagen wartet bereits.


Der OP-Saal füllt sich. Ein Team nach dem anderen kommt an. Allgemeinchirurgen, Herzchirurgen und Thoraxchirurgen. Unterstützt von Anästhesie und Koordinatoren; Insgesamt 4 Teams aus ganz Europa. Zahlen werden durch den Raum geworfen und aus irgendeiner Ecke schallt es immer wieder „Ja“ oder „Nein“ zurück. Schalen, Instrumente und Beutel werden bereitgestellt. Präparieren, freilegen, koordinieren, kommunizieren. Die Vorbereitung ist der längste Teil. Wenn das Herz aufhört zu schlagen und die Blutversorgung fehlt, zählt jede Sekunde.


Alle sind bereit. Es geht los. Gefäße werden abgeklemmt und Kühlmittel kommen zum Einsatz. Das Ziel: den Eigenverbrauch jeden Organs so drastisch zu reduzieren, dass es den Transport überlebt. Organ ist nicht gleich Organ. Ein Herz kann gerade mal 2-4 Stunden überleben um einen neuen Empfänger zu erreichen. Bei der Lunge sind es zum Glück 6 Stunden.


Die ersten Gefäße werden gekappt (das Herz ist z.b. mit 8 Gefäßen verbunden. Das dauert). Der Verstorbene ist eisig geworden. Die Organe werden sorgfältig eingepackt. Das Herz wird als erstes entnommen und das Team macht sich sofort auf den Weg. Man wünscht sich eine Gute Reise und vor allem eine gute OP, die eigentliche OP, die jetzt erst folgt.


Die Lunge folgt als nächstes. Jegliche Luft wird aus ihr herausgesaugt um sie hantierbar zu machen. Dann werden auch hier die Gefäße und Luftröhre durchtrennt. Die Chirurgen inspizieren das Organ, die Heimatklinik wird angerufen. Anatomische Eigenschaften werden beschrieben. Das ist wichtig, denn die nächste OP will optimal geplant werden.


Wir machen uns wieder auf den Rückweg. Die Koordinatorin hat bereits den OP vorbereiten lassen. Der Krankenwagen muss sich jetzt durch den Wiener Morgenverkehr schlängeln. Kein Problem. Unser Fahrer könnte auch 30 Jahre Formel 1 bereits hinter sich haben. In der Klinik angekommen übergeben wir die Organe. Ab hier übernimmt das nächste Team.


Danke an das Team der Thoraxchirurgie und der LungenTX-koordination des AKH Wien, dass ich an dieser Erfahrung teilhaben durfte. In dieser Lektion sind viele Lektionen über das Leben, das System in dem wir Leben und die Menschen mit denen wir leben enthalten. Dafür: Danke!


(Die zentrale Organisation wird über https://www.eurotransplant.org/ geregelt. Jede Klinik hat seine eigenen Koordinatoren die Ihr Personal und Ihre Ressourcen regeln.)

Disclaimer: Dies ist ein Erfahrungsbericht und basiert lediglich auf meinen Observationen und Fragen als Famulant. Ob z.b. ein Herz exakt 2-4h überlebt muss an anderer Stelle eigenständig überprüft werden)





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